Kommentar

Was soll der Bettag? Busse?

Im Zürcher Grossmünster, wo er als Gast predigen konnte, erinnerte sich der Aargauer Schriftsteller Klaus Merz an die autofreien Bettage seiner Kindheit. «Und heute, da wir keine Kinder mehr sind und der Bettag schon fast ein gewöhnlicher Sonntag mit vollem Betrieb geworden ist? Was treibt uns dennoch zum Innehalten, das Danken, das Büssen, das Beten…?»

Merz sprach über die an den auferstandenen Jesus gerichtete Einladung: «Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt» (Die Bibel, Lukas, Kapitel 24, Vers 29). Der Satz sei für ihn, der ja «eigentlich nicht bete», schon oft zum Abendgebet geworden, im Sinn einer «urmenschlichen Bitte: Ach, dass wir doch jemanden hätten, der bei uns bliebe, wenn es um und in uns nachtet». Die Sprache der Bibel, sagte Merz, bilde so etwas wie «den geheimen Grundton jeder wahrhaft menschlichen Kommunikation». Der zitierte Satz «hält auf Gläubige und sogenannt Nichtgläubige gleichermassen zu. Und er hält, wenn alles gutgeht, seinen geistigen Schild bannend vor unsere alte, unsere uralte Grundangst, hoffnungslos verloren zu gehen in der Welt.»

Die Grossmünster-Besinnung zum Bettag von Klaus Merz

Anderswo trafen sich Christen, die tatsächlich beten – nicht nur am Bettag – und deren Gebet nicht allein ums eigene Befinden kreist. Sie beten für die Gemeinschaft in Dorf, Stadt und Land, die in den letzten Jahrzehnten so viel Gutes, Wohlstand und Frieden erfahren hat, aber an Exzessen krankt, mit denen sie nicht fertig wird. Busse scheint, so liess auch Klaus Merz auf der Grossmünsterkanzel erkennen, ein Wort geworden zu sein, das nur noch die ungeliebten Zettel mit Bezahlungspflicht meint. Busse, Umkehr, Neuanfang – weil wir vor Gott Irrwege eingestehen? Wer die Zeitungen liest, fand und findet Bemerkungen über eine überschiessende Bank, masslose Manager, eine irregehende Regierung…

Manche Christen kämpfen um eine lebenswerte, solidarische Gesellschaft, zu einer Zeit, da man sich zu gern dem eigenen Wohlbefindet widmet. Die Wetziker Kirchen – reformierte, katholische und freikirchliche Gemeinden – setzten miteinander ein starkes Zeichen mit einer Stadtputzete und einem Fest. Ein gemeinsam verfasstes Bettagsmandat hält fest: «Ein Volk ohne Gott verliert die Kraft und verwahrlost. Wir müssen neu erkennen: Verlässlichkeit, Treue und Gerechtigkeit sind wichtige Grundpfeiler für ein geordnetes Zusammenleben. Es gilt, falsche Wege zu verlassen. Ein Umdenken ist angesagt.»

Die Kraft zur Umkehr – weil Gott durch Jesus Christus, in seiner Auferstehung an Ostern, eine neue Welt geschaffen hat – zeigt christliche Präsenz in der Gesellschaft an. Beten ist dran, wie dies die Fahnenträger auf dem Säntis vorführten. Auch Handeln ist angesagt, wie dies die Wetziker und die Lebensrechtler am «Marsch fürs Läbe» in Zürich verdeutlichten. Da ist auch ein Ringen um die Grundwerte vonnöten. Die EVP riss an ihrer Bettagstagung in Aarau den Horizont der Helveter auf: Was wäre Europa ohne den Mut und die Geradlinigkeit, die Kreativität und den Helferwillen von Christen?

Livenet dokumentiert die Vielfalt der Veranstaltungen, die miteinander deutlich machen: Danken, Beten (weil sonst nichts mehr hilft) und Umkehren (Gott machts möglich) sind dran – nicht allein am Bettag.

Die Berichte zum Bettag 2010:
Christen miteinander für die Stadt
Proklamation und Fürbitte auf dem Gipfel
Das christliche Erbe hat Zukunft – wirklich?


Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch